Ein Erlebnis aus meiner Kindheit ist mir vor kurzem wieder eingefallen: mein Vater fuhr mit meiner Schwester und mir in den Wald. Er ging auf dem Weg ein wenig voraus, weil er noch einige Arbeiten zu erledigen hatte; wir Kinder folgten ihm, pflückten Beeren und suchten nach Pilzen.
Plötzlich entdeckten wir mitten auf dem Weg einen großen Steinpilz. Wir konnten unser Glück zunächst gar nicht fassen und untersuchten ihn genau, ob er auch echt war. Dann lösten wir ihn vorsichtig aus der Erde und rannten mit ihm zu unserem Vater. Dieser war sichtlich überrascht und freute sich mit uns über den großartigen Fund, fragte uns, wo wir ihn denn gefunden hätten und konnte sich gar nicht erklären, wie er ihn übersehen konnte, wo er doch den gleichen Weg gegangen war.
Jahre später, als mir diese Geschichte wieder einfiel, sagte er mir dann, dass er den Pilz im Unterholz entdeckt hatte, an einer Stelle, die für uns Kinder unzugänglich und gefährlich gewesen wäre. Er hat ihn vorsichtig aus der Erde gelöst und – für uns unübersehbar – neu eingesetzt, damit wir ihn selbst finden können. Auf diese Weise hatte er gleich zweimal Grund zur Freude.
Für mich ist dieses Erlebnis ein Gleichnis für einen heilsamen und einfühlsamen Umgang miteinander. Einer entdeckt etwas Nützliches und Wertvolles im „Unterholz“, d.h. an einer für den anderen momentan unzugänglichen Stelle. Er gibt diesen „Schatz“ dem anderen aber nicht direkt, sondern lässt ihm die Freude des Selbst-Findens.