Kranken- und Lebensbrief #178: Familien-Ge-Schichten

„Manchmal fühle ich mich so bedrückt, als wenn mich etwas Schweres quälen würde“, meint eine Patientin – und ihr ist die Belastung wirklich anzumerken.

Wenn man im Gespräch dann etwas nachforscht, sind es „alte Themen“, die in der Familien-Geschichte über viele Generationen mitgeschleppt werden, als ein „Erbe“, das man lieber über Bord werfen möchte.

Immer wieder wird etwas Neues über „das Schwere“ gelegt, „ge-schichtet“ wie eine Schnee-Schicht, um es ungeschehen zu machen, um es zu vergessen.

Doch manchmal scheint es zu sein wie bei dem Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“: je mehr Matratzen auf die Erbse gelegt werden, desto mehr drückt die winzige Erbse. Die vielen Schichten heben den Druck nicht auf, sondern potenzieren ihn, steigern ihn, bis man nicht mehr schlafen kann.

Im Märchen ist es so, dass man dadurch erkennt, dass es eine Prinzessin ist – und sich ein happy end, ein glückliches Ende, anbahnt.

Als Kind dachte ich mir beim Hören des Märchens, dass diese junge Dame wirklich sehr empfindlich ist, wenn sie so ein kleines Kügelchen merkt. Man ist geneigt, zu denken, „dass sie nicht so ein „Gschiss“ machen soll, deswegen. Dass ja alles gar nicht so schlimm ist, wie sie meint. Und genau dieses „Bagatellisieren“ des Problems ist es, das viele Hilfesuchende zusätzlich zu ihren seelischen Schmerzen auch noch Schuldgefühle empfinden lässt. Wie kann man nun der feinfühligen „Prinzessin“ helfen und ihr Problem lösen? Ganz einfach: indem man es/sie ernst nimmt und die „not-wendige Zu-Wendung“ schenkt.: „Du, ich merke, dass Dich das sehr beschäftigt. Vielleicht magst Du mir von Deinen Sorgen erzählen?“ – schon allein so ein einfacher Satz eröffnet neue Möglichkeiten. Der/die Ratsuchende fühlt sich eingeladen, sich zu öffnen und einen Blick in die Seele zu gewähren; es ist ein großer Vertrauensbeweis, wenn dies möglich ist. Mit den „Familien-Ge-Schichten“ ist es wirklich etwas Besonderes: manchmal lohnt es sich, das, was passiert ist – im Märchen sind es die Matratzen – Stück für Stück abzutragen und das Störende („die Erbse“) frei zu legen. Es tut gut, die zu würdigen, die keine andere Möglichkeit hatten, als „es“ im Bett zu verstecken, „damits niemand merkt“ … und dann eine (Ge)Schicht drüber zu legen.

Die, die dann aktuell oben auf liegen im Familien-Geschehen, wissen natürlich nichts von der „Erbse“, spüren aber trotzdem die Wirkung. Jetzt kann man das Rätsel lösen.

In unserem Land ist – bedingt durch die beiden Weltkriege – manche Erbse versteckt, manche „Leiche im Keller“. Wir können für die nachfolgenden Generationen nichts Besseres tun, als unten nachzusehen, was da ist – und somit Licht ins Dunkel zu bringen. Es lohnt sich – und dieser Vorgang kann/wird Körper und Seele heilen.